Der etwas andere Abschied

Bevor man sich nun dem Genuss dieses Gedichtes hingeben kann, möchte ich vorab ein paar Worte verlieren, wie es zu diesem Machwerk kam.

Vor einiger Zeit war ich Qualitätstechniker in einem namhaften Unternehmen der Automobilindustrie. Unsere Produkte waren Fahrzeug-Innenverkleidungen für den Premiumsektor.
Nachdem das Betriebsklima immer mehr den Bach hinunter ging, entschloss ich, das Unternehmen zu verlassen und meinen Unmut per Mail an die gesamte Belegschaft (auch der Führungsebene) zu senden.

Das Resultat folgt nun:

Der etwas andere Abschied

Die Tage sind für mich gezählt
an denen mich die Kundschaft qäult,
mit lächerlichen Mängelrügen,
meist um Kosten anzufügen.
Kratzer hier und Umbug wellig,
nicht gefüllt und nicht gefällig,
Dekorablösung und auch Flecken
oder vernudelt an den Ecken.

Hin und wieder geschah es dann,
schwärzten sich Kollegen an.
Von oben und von anderen Seiten,
und das kann niemand hier bestreiten,
wurde man hineingeritten,
so verlangen's wohl die Sitten.
Schuldzuweisung, Druck verwalten,
die Bezahlung unten halten,
Freizeit in geringen Dosen,
doch standhaft in den Siegerposen.
Dies Thema sei groß angeführt
weil die Gerechtigkeit verliert.
Viel zu tun - geringer Lohn,
doch wen juckt das heute schon?

Auch die zeitweilige Umgangsform
entsprach wohl eher nicht der Norm.
Unterschwellig, zynisch, barsch,
wird geblasen dir der Marsch,
bloßgestellt vor den Kollegen,
so kann man Arbeitswillen wegfegen.
Die Leitung hat das toll betrieben,
ein Grund weshalb ich ausgestiegen.

Doch sei's drum und lasst euch sagen,
es ist nicht alles zu beklagen:
Das Team im Kleinen, das ich verlasse,
war als Team echt große Klasse,
denn Humor und Sachverstand
gingen bei uns Hand in Hand.
Dafür möcht' ich Dank euch zollen,
weil es alle lesen sollen,
wie es war mit euch zu schuften
und was wir alles lernen durften.
Das Management der Güteklassen,
Reporte richtig zu verfassen,
die Analyse von Prozessen
oder Teile zu vermessen,
Lieferanten prügeln und auch schonen,
sind Werte die mir innewohnen.

Auch den Kollegen der Produktionsflächen
möchte ich den Dank aussprechen.
Sehr bemüht mit großem Fleiß,
was offenbar nicht jeder weiß,
Tag und Nacht seid ihr wie Bienen,
eifrig an den Spritzmaschinen.
Ihr haltet nur durch euer Bestreben,
als wichtiger Teil die Firma am Leben.

Nun seien sie nicht unbeschrieben,
die letzten Zeilen die verblieben,
möcht' ich dazu gerne verwenden
um mein Gedicht hier zu beenden.

Ich richte meinen Dank an jene
die jetzt machen keine Szene,
aufgrund der kritischen Abschiedsworte,
sie sind wohl nicht von jener Sorte
wie man Abschiedsmails sonst schreibt,
doch jeder der mich kennt, dem bleibt
das Lachen nicht im Halse stecken
und lässt das Mail sich nochmals schmecken.

Bevor man mich hier wird verbannen
zieh' ich selber nun von dannen,

Alles Gute für eure Zukunft!
(und hier sind ganz frei von Sarkasmus wirklich fast ALLE gemeint!)

Patrick

Ps.: Falls sich der eine oder andere jetzt zu Recht fragt, ob ich das Alles wirklich ernst meine, so möchte ich hiermit in aller Deutlichkeit und Klarheit sagen: vielleicht.

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