Häuslbauer müsste man sein

"Kleiner Landsitz mit Potenzial in idyllischer Ruhelage"

Seit einigen Wochen bin ich in meiner Freizeit damit beschäftigt, ein Nest für meine zukünftige Frau (bereits vorhanden, also bitte keine unseriösen Angebote mehr) und meine zukünftigen Kinder (in der Warteschlange) zu suchen und zu finden.
Was einem da so unterkommt ist bemerkenswert. Und das tue ich nun. Ich bemerke es. Oder besser gesagt, ich merke es an.
Am liebsten sind mir dann, leider trifft das auf 90% der Fälle zu, wenn man Angebote von Maklerbüros aufruft. Man sollte meinen, die verstehen etwas von ihrem Job.

Da gibt es die abenteuerlichsten Bezeichnungen und Umschreibungen für Gebäude, die wir nicht mal als Lagerräume für gesammelte Hundekotbeutel benützen würden. „Bastlerhit“ ist da einer meiner liebsten Namensgebungen. Bastlerhit bedeutet – Bude mit nassen Wänden, veralteten Stromleitungen, lückenhaftes Dach, vorsintflutliches Badezimmer und Fred-Feuerstein-Küche. Und weil der Bastlerhit ja auch noch aus dem Jahr 1903 ist, ist es eine absolute Rarität aus dem mit wenigen Handgriffen und Investitionen ein schnuckeliges, gemütliches Heim wird.

Hat sich irgendjemand schon mal den Spaß gemacht, so etwas anzusehen? Das ist ein echt einzigartiges Erlebnis. Einfach mal ein paar Freunde einpacken und sich so eine Ruine zeigen lassen. Leute, das ist eine gratis Führung mit Romanerzählungen über die Geschichte dieses Bauwerk. Besonders hervorgehoben werden gerne Fakten die den Reportagen der Heute- und Österreich-Zeitung entsprechen.

"Dieses Anwesen ist aus der Gründerzeit dieses Ortes.“ Gründungszeit besagter Ortschaft war 1529 und diente damals hauptsächlich als Zeltlager des osmanischen Heeres während der Belagerung. Somit müsste das Haus ein Leinentuch mit zwei Stangen sein. In Wahrheit entstand die Hütte in den 30er Jahren des 20sten Jahrhunderts.

Weiter im Text: „Es wurde damals von einem Herzog errichtet der von hier aus seine Ländereien verwaltete.“ Es ist auch durch Übermittlungen belegt, dass es im Jahr 1933 noch Herzöge gab, die als Großgrundbesitzer galten und ihre hart arbeitenden Bauern mit Rittern und Fußsoldaten knechteten, den Zehent abnahmen und sich des Rechtes „Ius primae noctis“ bedienten. Abgesehen davon, war es zu jener Zeit auch üblich, dass ein Herzog in einem 69 qm großen „Palast“ regierte und sein persönliches Geschäft in einem Häuschen mit Herz in der Holztür verrichtete, das im Garten stand. Außerdem zogen Herzöge es vor, in Gebäuden mit einer Raumhöhe von satten 2,40 Metern zu leben anstatt in großen Prunksälen zu residieren.

Es kommt noch besser: „Die Scheune die Sie im großzügigen Garten vorfinden werden“, der Garten misst stattliche 90 qm, „wurde seiner Zeit als Pferdestallung und Kutschengarage genutzt.“ Die Pferde damals waren offenbar sehr klein und hatten eine Schulterhöhe von etwa 1,20 Meter. Heute nennt man diese Rasse „Shetlandponys“. Kutschen waren demnach faltbar und wurden so, wie Schallplatten, zwischen Mauer und Pfosten einsortiert.

Besonders schön fand ich auch, dass dieses Haus erst vor kurzem generalsaniert wurde. Das erkennt man an den einzelnen Zimmern sehr gut, denn man hat mittlerweile in jedem Raum eine ganze Steckdose und einen Lichtschalter deren Kabel in einen abenteuerlichen Schaltkasten mit 35 Ampere Drehsicherungen mündeten. Die Fenster waren mit Wohnraumbelüftung ausgestattet, da die Holzrahmen bereits moderten und löchrig waren. Für den besonderen Luxus gab es eine Kaltwasserleitung in das Haus, um deren Hahn der Kalkverputz, aufgrund von Feuchtigkeit, langsam abbröckelte.

„Der Dachboden ist geräumig“, das stimmt ausnahmsweise sogar, „ und kann mit ein wenig Arbeit zu einem weiteren, gemütlichen Wohnraum ausgebaut werden.“ Ich weiß nicht, was man in diesem Raum mit einer Kniestockhöhe von 70 cm und einer maximalen Raumhöhe von 1,40 m machen sollte, aber irgendetwas zum Liegen würde eventuell klappen. Vielleicht eine Art Sonnenplätzchen. Das ließe sich wirklich rasch und einfach einrichten, da etwa ein Viertel der Dachziegel fehlen.


Für den Fall, dass der geschickte Heimwerker diese ersetzen möchte, darf er auf keinen Fall vergessen, vorher die gebrochenen Dachlatten zu ersetzen welche auf die morschen Dachbalken zu nageln sind. Sonst halten die Dachziegel nicht gut.

„Den Schornstein, der von einem funktionstüchtigen Brotbackofen zum Dach hinaufführt, müsste man allerdings erneuern lassen. Dieser ist nicht mehr ganz dicht und es könnte Rauch in den Wohnraum gelangen.“

Ist ja auch kaum ein Aufwand! Fände ich persönlich aber gar nicht mal so schlecht es bei dem alten zu belassen. Mir ist der Räuchergeruch lieber als diese muffige, warme, nach Schimmel duftende Note die sich über die Jahrzehnte im Haus verbreitet hatte.

„Der Fußboden auf dem wir uns gerade bewegen ist übrigens original“. Voll Freude strahlend monologisiert die Maklerin ganz stolz und sehr ausführlich. Und das glaube ich ihr aufs Wort, dass der original ist. Nahezu antik. Und der dürfte tatsächlich aus der Gründerzeit der Ortschaft sein (wir erinnern uns – 1529 - Türkenbelagerung). Damals bis ca. in die 1940er Jahre war es üblich, dass Häuser teil- bzw. gar nicht unterkellert waren. Das wird heute mit den Fertigteilhäusern auch wieder modern. Zwar praktisch, da es Kosten spart, allerdings verliert man dadurch auch wertvollen Stauraum.

Der Unterschied zu früheren Nicht-unterkellerten Häusern liegt im Untergrund des Fußbodens. Heute wird das Haus mit einer massiven Betonplatte fundamentiert. Damals kannte man diese Technik noch nicht und verfügte wahrscheinlich auch nicht über die nötigen Mittel. Also wurden Häuser buchstäblich auf Sand errichtet. Und auf dieses Sandfundament wurden dann Holzplanken als Fußboden gelegt. Im Grunde eine gute Technik da der Sand als Trittschall- und Wärmedämmung funktioniert. Natürlich kein Vergleich zu heutigen Standards.

In dem Besichtigungsobjekt ist der Sand aber schon mehr als deutlich zu erkennen. Besonders an jenen Stellen, wo Holzwürmer Kirtag feiern. Durch den bereits ausgetretenen und auch verschwundenen Sand war Feuchtigkeit vom Untergrund aufgestiegen und hat sich in den Wänden abgesetzt. Backstein-Ziegel sind zwar sehr schön und auch eine Zeit lang robust. Jedoch ständig mit Wasser in Verbindung zu stehen und der Witterung ausgesetzt zu sind, weil ja doch ein paar Löcher im Dach sind, löst selbst den härtest gebrannten Ziegel irgendwann auf. Der rote Staub hat dem hinteren Teil des Hauses (das war das Holzholzwurm-Kirtag-Areal) aber einen interessanten Marsoberflächen-Flair verliehen.

Die grandiose Burgführung wird von der Maklerin mit einem zufriedenen Lächeln folgend beendet: „Ja, wie Sie sehen können sind ein paar Kleinigkeiten zu reparieren. Das sollte für einen Heimwerker aber kein Problem sein. Immerhin scheinen Sie ein sehr kräftiger junger Mann zu sein. Frauen finden Selbermacher attraktiv. Für ein kleines Badezimmer bietet sich der Zubau an.“ Honig ums Maul schmieren kann ich überhaupt nicht leiden, liebe Maklerin.

Ich: „Der Zubau ist ein ehemaliger Saustall ohne Mauern, nur aus Holz und auf Lehmboden."
Sie: „Naja, ein bisschen was müssen Sie schon in Kauf nehmen. Immerhin ist der Preis für dieses wunderschöne Haus in toller Lage ein Schnäppchen.“ (lächel und zwinker)
Ich: „Also, das Haus hat Wohnfläche 69 qm, der Garten dazu ca. 90 qm und kostet 230.000 Euro? Wie spricht man den Namen dieser Ortschaft in toller Lage nochmal aus?“
Sie: „P o d g o r i a. Und (grins), nicht vergessen: Gründerzeit, Herzog und nur wenig Reparaturen.“
Ich: „Wie hieß denn der Herzog, der hier wohnte?“
Sie: „Ach, davon gibt es keine Überlieferungen.“
Ich: „Natürlich nicht, eh verständlich. In den 1930er Jahren wurde noch nichts registriert.“
Sie: „Also, was sagen Sie? Wann ziehen Sie ein? Hihi!“ (grins, lächel)
Ich: „Gleich nachdem die Reste von der Ruine abgetragen sind und ein neues Haus hier steht.“
Sie: „Ah, ich verstehe (lächel). Sie sind ein Hausbauer, kein Renovierer. Wenn das alles hier erstmal Ihnen gehört, können Sie natürlich machen was sie wollen.“
Ich: „Nein, erst wenn das da steht wird gekauft und eingezogen. Ein neues Haus zu bauen wäre allemal billiger als die Ruine hier auf Vordermann zu bringen.“
Sie: „Also wollen Sie es nicht.“
Ich: „Hmm…. Können Sie es für mich reservieren?“
Sie: „Natürlich mache ich das! Sehr gerne! Wie war noch gleich Ihr Name?“
Ich: „Andreas, Herzog von Ballafuss.“
Sie: „Na bitte, das passt doch hervorragend! Ein ehemaliges Herzoganwesen für einen Herzog.“
(Sarkasmus scheint ihr nicht geläufig zu sein.)
Ich: „Geben Sie es noch nicht her, ich möchte darüber schlafen.“
Sie: „Selbstverständlich. So ein großer Schritt muss überlegt werden.“ (euphorisch)
Ich: „Sie sagen es. Auch wenn man adelig ist, so muss man dennoch aufs Geld achten.“
Sie: „Wem sagen Sie das… Ich verdiene ja an dem Haus nichts. Ich lege sogar noch drauf. Hoffentlich verzeiht mir mein Mann, dass es dieses Jahr keinen Urlaub für uns gibt…“
(Ja komm… heul doch, Funsn.)

Auf Willhaben steht die Bude jedenfalls bereits seit 6 Monate auf „Reserviert“. Auf Anrufe von Ihr reagiere ich natürlich nicht. Als Herzog hat man keine Zeit für so einen Schnick-Schnack.
Stattdessen mache ich mich auf die Suche nach einem weiteren Juwel und durchforste wieder zahlreiche Internetseiten um fündig zu werden.

Was ich mir bislang angeeignet habe, sind Geduld und das Deuten von Ausdrucksweisen:

Absolute Ruhelage                        am Arsch der Welt
Gute Verkehrsanbindung            neben der Autobahn / Schnellbahn / auf einem Kreisverkehr
Für Bastler                                      Ruine (eventuell mit Dach)
Schnuckeliges Heim                      Wohnklo mit Kochniesche
Entzückendes Häuschen              Wohnlko mit Kochniesche
Klein, fein, mein                            Wohnklo mit Kochniesche mit verzweifelten Single-Nachbarn
Ruhig gelegen                                irgendwo am Ortsrand neben einem Klärbecken
Renovierungsbedürftig                Rechne den Kaufpreis 2x
Sanierungsbedürftig                     Rechne den Kaufpreis 3x
Haus zum Fertigstellen                 Rechne den Kaufpreis 4x
Altes Juwel                                      Der Versuche eine 120 Jährige zur Pornodarstellerin herzurichten
Kleines Anwesen am See             40 qm ab 200.000 Euro aufwärts auf Pachtgrund mit gratis Gelsen
Haus in See Nähe                           Im Umkreis von 5 km befindet sich irgendwo eine Froschlacke
Haus mit Naturgarten                   Du brauchst einen Bagger, einen Radlader und einen Harvester
In zentraler Lage                            An der Hauptstraße der Ortschaft ohne Parkmöglichkeiten
Haus mit Potential                        Abbruchhaus
Altes Bauernhaus                          Reiß alle Fußböden, Fenster, Türen raus und Bau eine Heizung ein
Haus mit Nebengebäude             Wenig Wohnraum dafür aber mit riesen Lagerhalle und Silos
Haus mit kleinem Garten            30 qm Terrasse mit Gras und Unkraut bewachsen
Liebevoll errichtetes Haus           Der Bauherr meinte es gut – hatte aber leider keine Ahnung
Haus mit vielen Möglichkeiten  Abreißen? Komplett renovieren? An Ahnungslose verschachern?

Es gibt noch unzählige aufregende Arten wie man eine Bruchbude bezeichnen kann bzw. wie man potentielle Interessenten blenden kann aber das sind die verbreitetsten.

Was ich ebenso aufregend finde wie dieses Gebärden um tolle, besonders kreative Kreationen von Adjektiven und Wortlauten, sind die Fotos die vom Wohntraum hochgeladen werden.
Wer möchte vorab nicht gerne Ecken von Räumen, Klobrillen, Sesselleisten, schmutzige Fenster und Abwasserrohre sehen? Besonders inspirierend sind auch gut gemeinte Aufnahmen vom Garten wo Blümchen fokussiert werden. Neulich waren auch Fotos von Enten und des Nachbarn Hund einer Anzeige beigefügt. Sowas ist natürlich immer ansprechend und sagt eine Menge über die Liegschaft aus. Neben besagten Fotos von Ecken und Wänden, werden auch Bilder von der Umgebung (was ja noch einigermaßen Sinn macht) und Nachbarhäusern gemacht (was absolut wertlos ist). Beliebte Fotoobjekte sind auch Türen von der Weite (geöffnet oder geschlossen), Baumkronen, Lampen, Alte Küchen (die man ohnehin rausreißen muss), Wohnwände (die der Vorbesitzer noch abholen muss), schlecht bemalte und feuchte Wände, schlecht errichtete Zu- und Anbauten, abgetretenen Fußböden, Fliesen sowie völlig zusammenhanglose Bilder einzelner Räume oder Raumsegmenten.

Das absolute Highlight für mich sind aber immer Fotografien von Plänen und Skizzen des Gebäudes. Diese sind dann meist auf ein A4 Papier ausgedruckt oder gemalt und von einer Distanz von ein bis zwei Meter unscharf abfotografiert worden. Herrlich! Damit kann jeder etwas anfangen.
Ich bin immer so dankbar, wenn zumindest mal ein Screenshot eines digitalen Plans dabei ist, sodass man sich unter dem zuvor gesehenen Fotogewirr zumindest irgendetwas vorstellen kann.

Dass man als Makler kein ausgebildeter Fotograf sein kann bzw. muss, leuchtet wohl jedem ein. Aber ein bisschen Bemühen sollte man sich schon. Besonders wenn man gleich mal 3% Provision an diese Herrschaften abdrücken muss. Bei 300.000 Euro Kaufpreis ist das schon ein recht stolzer Betrag, an dem kein armer Makler irgendwas verdient, nur draufzahlt und mit dem Ehemann keinen schönen Urlaub machen kann.

Wie dem auch sei, das Haussuchen an sich macht Spaß und es ist ein wahres Vergnügen den Makler bei Führungen durch diverse Ruinen und Kerker peinlich genau zu befragen und sich die Ausführungen und Lobpreisungen jener Gesellen zu Gemüte zu führen.
Ich bin mir sicher, dass auch für mich früher oder später das passende Heim dabei sein wird. Bis dahin werde ich mich den Mythen, Legenden und Sagen über diverse Bauwerke lächelnd hingeben und die Show genießen.

Unterhaltung kann so simpel und kostengünstig sein.

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