Gäste, Kunden und Patienten

Diese meist rethorisch gestellte Frage nehmen viele Leute nicht als diese wahr, sondern stufen sie als Herausforderung ein, die es zu erfüllen gilt.
Wer schon einmal als Dienstleister gearbeitet hat, sei es nun mit Patienten, Kunden oder Gästen, der wird vestehen, was ich meine.
Für all jene, die bisher noch nicht das Vergnügen hatten, möchte ich nun einen kleinen Enblick in die Wunderwelt des Irrsinns gewähren.
 
Nach einer erfolgreich absolvierten Ausbildung in einer Tourismusschule, galt es, diesen Beruf auch auszuüben. Bereits während der Schulzeit, kam ich im Zuge von Pflichtpraktika in den Genuss der Gästebetreuung. Es war eine Zeit des Lernens und des Wachsens. Dennoch fehlen einem nach jahrelanger Erfahrung oftmals die Worte.
 
So geschah es eines Tages, dass im Restaurant, in dem ich arbeitete, auf der Menükarte "Gebackenes Seefilet von der Scholle mit Petersilerdäpfel" zu finden war. Eine Speise, die man in unseren Breiten kennen sollte. Nichts Exotisches oder Außergewähnliches. Jeder weiß, was eine Scholle ist und was man von einem gebackenen Filet erwarten kann.
Dennoch war dieses kulinarische Angebot einem Gast nicht geläufig.
 
So rief er mich zu seinem Tisch und fiel gleich mit der Tür ins Haus: "Sagen Sie, ist dieses Seefilet von der Scholle denn ein Fisch?"
Ich war mir nicht ganz sicher, ob dieser Gast die Frage tatsächlich ernst meinte, antwortete aber sofort darauf: "Nein, mein Herr. Ein Seefilet von der Scholle ist ein Pinguin. Pinguine leben auf Eisschollen in der antarktischen See. Daher Seefilet von der Scholle." Der Gast war anhand meiner präzisen und detaillierter Beschreibung entzückt und rief euphorisch: "Das ist ja wunderbar! Pinguin hab ich noch nie gegessen. Schmeckt das denn?" "Natürlich", antwortete ich, "Es schmeckt, so wie alle Meeresfrüchte ein wenig nach Fisch." Der Gast verlor seine Euphorie nicht und wollte unbedint einmal Pinguin probieren. So ließ ich ihn in dem Glauben und servierte gebackenen Pinguin mit Petersilerdäpfeln.
Es interessiert mich bis heute brennend, was er nach Verlassen des Lokals seinen Freunden oder der Familie erzählte.
 
Dies war eine kurze Geschichte darüber, was man als Dienstleister so zu hören bekommt. Aber es geht weiter, denn wie gesagt - es gibt Dinge, da fehlen einem die Worte.
Ich möchte gleich beim Thema bleiben und eine weitere Geschichte aus dem Gastgewerbe zum Besten geben.
 
Wie in sehr vielen Landgasthöfen, so war auch auf unserer Karte das berühmte ungarische Gulasch zu finden. Für gewöhlich wird dies mit einem Stück Gebäck gereicht. Um sich von der grauen Masse abzuheben, hatte unser Chef aber die glorreiche Idee, anstatt der üblichen Semmel oder der Scheibe Brot, ein Salzstangerl zu kredenzen. Welch Triumph.
Dass allerdings der Vorrat von diversen Speisen oder Beilagen mal zur Neige gehen kann, sieht nicht jeder Gast ein. So kam es zu einem spektakulären Zwischenfall zwischen einer Kollegin mit einem Besucher unseres Restaurants.
Dieser Herr bestellte, wie in der Karte vermerkt, das Gulasch mit Salzstangerl. Die Kellnerin, auf ihren Kellnerblock kritzelnd, stellte die Bemerkung an, dass die Salzstangerl leider aus sein, der Gast aber sehr gerne eine Semmel, einen Kornspitz oder zwei Scheiben Brot haben könnte.
"Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte ein Salzstangerl. So wie in der Karte geschrieben steht." erwiderte der Besteller. Meine Kollegin blickte von ihrem Block auf, sah den Herren etwas verwirrt an und berichtete erneut in freundlichem Ton, dass dieses Gebäck leider nicht mehr vorhanden sei. Es wurden heute bereits unerwartet viele dieser Speisen verkauft, somit war der Lagerstand der knusprigen Stangerln leider vertilgt worden. Diesen Missstand wollte der bereits grummelig werdende Gulaschliebhaber nicht akzeptieren und forderte gnadenlos das begehrte Backwerk. "Es tut mir leid, mein Herr. Ich kann dies aber leider nicht ändern. Salzstangerl gibt's keines mehr." Wie ein trotziges Kleinkind verschränkte er die Arme vor der Brust, schaute wütend auf die leere Tischplatte und brummte: "Es ist eine Frechheit, dass Sie etwas auf die Karte schreiben, das Sie dann garnicht haben!"
Ich war gespannt, was meine Kollegin hier als Antwort im Repertoire hatte. Ich wäre bereits am Ende meiner Ideen angekommen. Nicht aber so die taffe Kellnerin. Sie blickte den Herren noch einmal verständnislos an und erwiderte voller pädagogischer Zuwendung: "Mein Herr, wir hatten Salzstangerl. 30 Stück davon. Mit so einem Ansturm auf Gulasch haben wir aber nicht gerechnet, zumal dies nur als Snack in unserer Karte vermerkt wurde. Es ist aber auch bereits 18:00 Uhr, da können Sie nicht erwarten, dass wir noch alles zur Verfügung haben, was auf der Karte steht. Hätten wir zuviel Gebäck, so müssten wir das morgen alles zu Bröseln verarbeiten, verstehen Sie? Das wäre doch eine riesen Verschwendung, die sich auch auf unsere Preise auswirken würde."
Alle Achtung - sie hatte tatsächlich noch Pulver im Fass. Der Gast aber auch. Er wiederholte die bereits zuvor getätigte Meinung zornig und bestand nach wie vor auf das Salzstangerl. Nach längerem hin und her fuchste es die Kellnerein bereits, mit so einem uneinsichtigen Individuum zu diskutieren. Sie stützte sich auf den Tisch, sah dem Zornigen in die Augen und sagte ruhig, aber sehr bestimmt mit einer gewissen würzigen Schärfe: "Wissen's was? Ich hol Ihnen a Weißbrot und an Salzstreuer. Dann können sa sich von mir aus a Salzstangerl schnitzen." Begeisterte Stille aller Gäste und Kollegen.
 
Eine weitere erzählenswerte, aber sehr kurze Geschichte kommt von einem meiner Bekannten. Dieser arbeitete an einem Serviceschalter eines Einrichtungshauses. Diese armen Angestellten bekommen es täglich mit 1000en Menschen zu tun, die die seltsamsten Ansichten haben. Kurios aber zum Teil auch unterhaltsam. Folgendes, bei dem wieder die Worte fehlen dürften, hat sich so zugetragen:
Ein Kunde tritt mit einem recht großen Paket an den Serviceschalter heran. Der Karton schien bereits geöffnet gewesen zu sein und dürfte etwas Hohes, Breites aber Flaches beinhalten. "Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?" erfragte der Mitarbeiter des Schalters interessiert. Der Kunde erklärte, den Gegenstand retournieren zu wollen. Bevor man dies aber so einfach tun kann, muss die Ware erst von einem Mitarbeiter auf Fehler bzw. Beschädigungen untersucht werden. Dies wurde auch vorgenommen. Es handelte sich hierbei um einen mannhohen Spiegel. Der Kundenbetreuer inspizierte den Artikel genau. Keine abgeschlagenen Kanten, schön lackierter Rahmen, Spiegelglas nicht geborchen, Aufhänger vorhanden, keine Kratzer. Um das System der Warenrückgabe korrekt zu befriedigen, musste der Mitarbeiter einen Begründung für die Rückgabe erfragen. Ich weiß nicht, wie die Geschichte dann genau weiter ging, aber der Kunde sagte: "Ich will den zurückgeben, weil das Spiegelbild total hässlich ist..."
Jeder, der sich in diese Situation hineinversetzt, wird feststellen, dass es darauf kaum eine Antwort gibt, die weder zynisch noch beleidigend klingt.
 
Ein weiteres Highlight ereignete sich in meiner Zeit als Techniker bei einem namhaften Unternehmen. Die Erzeugnisse beschränkten sich auf Kunstsoffteile. Diese wurden an einen weiterverarbeitenden Betrieb verkauft. Gab es Probleme mit den Erzeugnissen, so wandten sich die Käufer an uns Techniker.
Eines Tages rief mich einer der Kunden an und meldete mir per Telefon ein Problem mit der Maßhaltigkeit eines Produktes. Nachdem ich die Maße mit den vorhandenen Unterlagen verglich, konnte ich keinerlei Abweichungen feststellen. Diese Erkenntnis teilte ich meinem Kunden mit, der jedoch sofort konterte und eindeutig den Fehler vor sich liegen hatte. Im Bauteil war eine Stanzung, die 30,5 mm breit und 10,5 mm hoch sein sollte. Ich hatte ebenfalls so ein Produkt vor mir liegen, kontrollierte die Ausnehmung und konnte die Abmaße von 30,2 mm und 10,9 mm feststellen. Dies berichtete ich auch dem Herren Diplomingeneur am anderen Ende der Leitung. Der antwortete: "Na sehen Sie? 10,9 mm. Laut Zeichnung soll das 10,5 mm breit sein." Damit hatte er recht, allerdings schien er die gewährte Toleranz von 0,5 mm zu vergessen. Darauf wies ich ihn vorsichtig hin. Der Kunde sollte nicht den Eindruck erhalten, dass man ihn als Idioten ansieht. Was dann geschah, ließ aber keinen anderen Schluss mehr zu. "Na schaun's, 0,5 mm sind nur Toleranz. von 10,5 auf 10,9 sind es aber schon 4 mm." Ah ja, der Herr Diplomingeneur ist schlecht in Mathematik. Also antwortete ich: "Ich glaube, sie verwechseln etwas. Wir befinden uns nach der Kommastelle im zehntel Millimieterbereich. Somit sind es 0,4 mm. Also innerhalb der Toleranz." Hier wusste einmal der Kunde nicht, was er sagen sollte. Eine kurze Gesprächspause entstand. Dann fuhr er dennoch fort: "Ist mir egal. Sie fertigen nicht laut Zeichnung. Also ändern Sie das."
Ich hielt mich nicht an seine Forderung und ließ so weiterproduzieren wie bislang. Es gab keinerlei Meldungen mehr über falsche Maße.
 
Ein besonderes Schmankerl sind dann auch Dinge, die man mit direkten Kollegen erlebt. So kam einmal eine Arbeitskollegin zu mir, sehr verzweifelt, weil ihre Ausdrucke der Dokumente unleserlich waren und sie schon nicht mehr wusste, was sie noch tun sollte. Sie meinte, das läge eindeutig an ihrem Bildschirm. "Was hat denn der Bildschirm mit dem Ausdruck zu tun?" fragte ich irritiert. Sie meinte, dass das Bild zwar scharf sei, aber am Druckergebnis dann völlig verzerrt und unleserlich ist. Also habe ich mir das mal angesehen, mir ihren Laptop geschnappt und ein Dokument drucken wollen. Doch da waren überhaupt keine Drucker installiert. Wie hatte sie das denn ausdrucken können, wenn da nichtmal irgendwas vorhanden war?! "Gut", dachte ich bei mir, "vielleicht hat sie die in der Hektik irgendwie gelöscht bzw. deinstalliert." Rasch waren die notwendigen Verbindungen der einzelnen Komponenten wieder hergestellt. Nach einem kurzen Klick auf das richtige Schaltfeld und schon begann der Drucker zu surren. Sekunden später hielt ich das makellose Ergebnis in den Händen und warf meiner Kollegin einen fragenden Blick zu. Sie wollte sofort wissen, wie ich das gemacht hätte. Nach einer kurzen Demonstration war sie völlig verdutzt und überrascht, dass das bedruckte Blatt Papier aus diesem Gerät kam. Nun wollte ich doch wissen, was sie bisher tat. Sie bat mich, mit ihr mit zu kommen als sie den Laptop vom Tisch aufhob und in die andere Ecke des Büros verschwand. Was dann geschah glaubt niemand, der nicht dabei gewesen war. Auch in dieser Situation blieben mir die Worte weg. Mehr als nekischer Spott und leichte Verhöhnung blieb nicht übrig. Sie nahm den Laptop, klappte den Bildschirm komplett nach hinten, legte den Screen in den Kopierer und drückte die große grüne Taste.
So kann man "Bildschirmkopie" natürlich auch verstehen.
 
Dies ist nun ein kurzer Einblick in die Wunderwelt der Kunden- bzw. Gästebetreuung. Im Einzelnen betrachtet, scheint dies nicht so wirklich schlimm zu sein. Jedoch darf man nicht außer Acht lassen, dass man solche Themen nicht nur hin und wieder einmal hat, sondern am laufenden Band. Da kann einem der Geduldsfaden schon mal reißen.

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