Neues aus der Arbeit

Wer's kennt, wird's verstehen


Wie viele andere Männer auch, gehöre ich zum Typus des "Pipus Solus". Das bedeutet, wenn Mann am Pissoir steht und ein Zweiter stellt sich daneben, ist es mit dem Geschäft vorbei. Ich weiß nicht, ob es Nervosität oder Scham ist, jedoch gibt es dieses Phänomen. Selbst ein ungeheurer Druck, den man bereits lange vor dem Aufsuchen der Toilette verspürte, hilft hierbei nicht unbedingt.

Einzig, wenn man sich wirklich sehr stark konzentriert, viele schließen dabei die Augen, kann man der Blase ein paar Tröpfchen abringen. Ist dies, einem Kraftakt gleichen Aufwand erstmal geschafft, geht es meistens von ganz alleine weiter. Aber es ist eben ein beschwerliches Stück Arbeit das eine penible Fokussierung erfordert.

Was nun, wenn es noch schlimmer kommt und gar kein Mann das WC betritt? 

Das ist mir neulich in der Arbeit tatsächlich passiert. Es war keine Dame die sich etwa in der Tür geirrt hatte, nein. Es war eine Frau im mittleren Alters die sehr nach Zigarettenrauch roch, mit einer tiefen, rasselnden Stimme in gebrochenen Deutsch "Gute Morge" brummte und mit Sprühflasche, Tuch und Mopp bewaffnet den Raum betrat.
Irritiert wandte ich meinen Blick von der gekachelten Wand, die etwa 30 cm vor mir lag (ja, ich stehe knapp an der Schüssel) ab und blickte ungläubig über meine Schulter. Tatsache. Eine Dame der Reinigung war hereingekommen und beabsichtigte die WC-Anlagen zu putzen. Ihr Ernst? Sie dürfte nicht über das nötige Feingefühl verfügen, das jeder andere Mensch hätte und so lange warten würde, bis der Raum leer ist. Fassungslos richtete ich meinen Blick wieder geradeaus. Der Strahl war durch diese Störung abrupt unterbrochen worden.
 
So stand ich dann mit leicht gegrätschten Beinen vor der Pissoirmuschel und musste mich bemühen, mein Geschäft so rasch wie möglich zu Ende zu bringen. Nicht etwa, weil ich der Dame keine Umstände bereiten und ihr das Putzen ermöglichen wollte, nein - es war einfach eine ungeheure Schüchternheit, die in mir aufkeimte. Wie kann man sowas nur machen? In so einer Situation verliert man den Glauben an die Menschheit und deren Intelligenz. Gut, dachte ich bei mir, dann werde ich mich jetzt mal so gut es geht entspannen um das hier erfolgreich abschließen zu können. Immerhin könnte die Frau ja mit den Waschbecken beginnen, wenn sie schon unbedingt auf einer besetzten Toilette putzen muss.
 
Die Absurdität vertiefte sich aber, als ich hörte, dass der mitgebrachte Mopp in einen Kübel mit Wasser getaucht und sorgfältig ausgedrückt wurde. Das Plätschern kam mir zugute. Meine Befürchtung bestätigte sich, als das Reinigungsutensil mit einem dumpfen "Pflop" auf den Boden gesetzt wurde. Wo? Nicht etwa in der anderen Ecke des Kloraums. Hinter mir. Genau hinter mir. Was dann geschah, entbehrt jeder Sensibilität. Der Wischmopp kam tatsächlich zwischen meiner Grätsche durch und wischte bis in die Kante zwischen Boden und Wand unterhalb des Pissoirs. Ich wandte abermals den Blick über meine Schulter, sah der gleichgültig und emotionstoten Slawin in ihr leblos wirkendes Gesicht, räusperte und äußerte mich: "Entschuldigen Sie?! Könnten Sie eventuell warten, bis ich fertig bin?" Ohne auch nur aufzusehen oder zumindest eine peinlich berührte Mimik in ihrem faltenreichen Gesicht zu formen erwiderte sie: "Nix warte. Muss hier putzen. Bitte Bein heben."
Das konnte doch unmöglich ihr Ernst gewesen sein. Jetzt sollte ich während ich pinkle auch noch Kunststücke machen und mich auf ein Bein stellen?
 
"Jetzt hören Sie mal, Sie werden doch wohl die zwei Minuten warten können, bis ich das hier erledigt habe. Das ist doch wirklich unerhört." Offenbar nahm sie nun einen leichten Anflug von Empörung in meiner Stimme wahr und zog ihren Wischer zurück. Na wenigstens etwas.
Der Wunsch nach einer störungsfreien Blasenentleerung wurde mir dennoch nicht erfüllt. Die Reinigunskraft wartete zwar, verließ aber nicht ihren Posten und verharrte zirka einen halben Meter hinter mir, den Blick auf die Bodenfliesen geheftet. So wie es aussah, befand sie sich im Standby-Modus.
 
So, das war's. Das Pinkeln hatte sich für diesen Zeitpunkt erledigt. Den Triumpf konnte ich nicht mehr einfahren und musste aufgeben. Mit anhaltendem Druck in der Blase gab ich mich geschlagen. Nach dem "Verpacken" drehte ich mich um, stolperte beinahe über den Mopp, der sich direkt hinter mir in Parkposition befand, und ging auf den Waschtisch zu. Seife, schön verteilen und abwaschen. Dabei warf ich auch einen Blick in den Spiegel um mein äußeres Erscheinungsbild in Punkto Bekleidung zu betrachten. Ich hatte alles gut angepasst. Shirt über der Hose, Reißverschluss zu, keine umgekrämpelten Säume, Gürtel verschlossen, alles okay. Da erkannte ich, dass bei einer der Sitzkabinen ein rotes Pünktchen unter der Türschnalle ersichtlich war. Da war offenbar noch jemand dabei etwas zu vollenden.
 
Das nun Folgende sprengte dann aber wirklich den Rahmen der Frechheiten. Nachdem die Dame mit ihrem Wischmopp den Schmutz unter den Pissoirs so verteilt hatte, dass er kaum noch auffiel, ging sie zu den Kabinen hinüber und beabsichtigte diese zu reinigen. Sie begann natürlich mit der Besetzten. Nachdem sich die Tür aber selbst nach mehrmaligen Versuchen nicht öffnen ließ, klopfte sie. Sie klopfte tatsächlich an und forderte den darin Sitzenden auf, das Kämmerchen zu verlassen. "Bitte gehen, ich putzen." ertönte es mit rauchiger und lethargischer Stimme.
Der Herr, der die Latrine besetzte, wies nicht soviel Verständnis und Geduld, und vorallem Höflichkeit, auf, wie ich zuvor am Pissoir.
"Heast, homs dia ins Hirn g'schissn, Oide? I seil do grod wos ob, oiso sponn ein und schleich di!!!" so tönte es deutlich verärgert durch die Türe. So leicht ließ sich der Putzteufel aber nicht einschüchtern und klopfte erneut. Diesmal etwas aggressiver und lauter. "Bist imma no net weg, du Fuchtl? Schau das't Meter mochst." ertönte es. Die Beharrlichkeit der Slawin war bemerkenswert, denn das Geklopfe nahm kein Ende. Immer wieder ließ sie die Knöchel ihrer geballten Faust gegen den versperrten Eingang schnellen.
Sie hätte ohne Weiteres mit einer der beiden anderen Kabinen beginnen können. Für spontane Änderungen der Putzfolge war sie eventuell nicht programmiert worden. Vielleicht hatte sie aber auch einfach nur Spaß daran, die Notdürftler zu verärgern. Allerdings konnte ich mir das wirklich nicht vorstellen, da sie keinerlei Regung zeigte und ihr offenbar nicht der Hauch von Gefühl für solche Situationen zur Verfügung stand.
Nachdem weitere schmetternde Bemerkungen durch die Tür drangen, die keinerlei Wirkung gegen das Geklopfe zeigten, hörte man, dass die Klospülung betätigt wurde.
Das Toben erfüllte also den Zweck nicht und auch dieser Herr gab klein bei.
 
Angesäuert verließ er seinen Thron und knallte die Tür mit einem lauten Donnern hinter sich zu. "Deppate, hoffentlich dastickst in dem G'stank do drinnan." murmelte er und trat neben mich an den Waschtisch heran. Den Zorn im Kollegen konnte man förmlich fühlen. Kurzer Blickkontatkt zwischen uns beiden und ein verständnisloses Kopfschütteln samt verdrehten Augen folgte. Im Spiegel konnte man erkennen, dass der Dame der Geruch innerhalb der Kabine nicht sonderlich behagte. Sie zog den Mopp zurück und widmete sich einer anderen Toilette. Offsichtlich konnte sie doch von der Programmierung abweichen. So leblos wie sie wirkte, war sie vermutlich mit den Gedanken nicht auf diesem Planeten und reinigte in Trance. High vom Ammoniak, vermutete ich.
 
Nachdem wir beiden Männer, denen die Notdurft verwehrt wurde, das WC verlassen hatten, entfloh es uns wie aus einem Mund: "Sowas hat man auch noch nicht erlebt..."

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