Führerscheinneuling

Eine Geschichte aus dem Leben die in etwa so stattgefunden hat. Ich habe nur ein kleines Bisschen nachgebessert. 


Ein bisschen Stolz verspürte er schon, als sie endlich mit dem heißbegehrten Stück Papier zu Hause auftauchte. Zwar kostete der Erhalt dieses Dokumentes eine Menge Zeit und auch Geld, einen besonders hochwertigen Eindruck hinterließ das rosa Büchlein aber nicht. An der Vorderseite stand ganz oben in Druckschrift "Republik Österreich". Darunter der große Buchstabe A, umringt von 12 Sternen. Darunter war das Wort "Führerschein" zu lesen.

Voller Freude und Stolz präsentierte sie ihm ihre Errungenschaft. Ihr Lächeln ließ eine gewisse Art von Überlegenheit und Hochmut mitschwingen. Woher das kam war ihm ein Rätsel. Immerhin hatte sie ganze fünf Anläufe gebraucht um die Führerscheinprüfung endlich zu meistern. Den Kurs in der Fahrschule hatten sie vor längerer Zeit gemeinsam begonnen. Jedoch konnte er die Fahrlizenz bereits beim ersten Versuch erfolgreich in seinen Besitz bringen. So verstand er das Getue seiner Freundin nicht so recht. Auch wenn er stolz auf sie war, zeigen wollte er es ihr nicht. 
Das hatte den Grund weil er Wochen damit zubrachte mit ihr für die theoretische Fahrprüfung zu pauken. Den praktischen Teil der Übungen konnte sie allerdings nur in der Fahrschule oder ihrem Vater absolvieren, da ihr Freund selbst erst Führerscheinneuling war und darum noch keine Perfektionsfahrten unternehmen durfte. 
Sei's drum. Er dachte beim Ansehen des rosa Lappens, wie er in Österreich häufig genannt wurde, an die vielen Stunden, das hohe Maß an Geduld die er aufbringen musste, den zeitweiligen Ärger über ihre Unüberlegtheit und das offensichtliche Desinteresse am Lernen. Natürlich verstand er es auch irgendwie. Sie war über die vermehrten Misserfolge bei der theoretischen Prüfung demotiviert und frustriert. Klar, dass da das Lernen keine Freude bereitet. Besonders dann nicht, wenn man auch beim Üben die Fragen falsch beantwortete. Aber von nichts kommt nichts. Und nur stur dasitzen und irgendwas anzuhakerln ohne nachzudenken würde ihr auch nicht helfen.

Nachdem nun auch sie dazu berechtigt war ein Automobil durch die Gegend zu steuern, unternahm er gleich am nächsten freien Tag eine gemeinsame Ausfahrt mit ihr. Sie hinterm Steuer und er als Ratgeber am Beifahrersitz. Sie war total genervt von seinen ständigen Einwürfen und Tipps. Was glaubte er denn wer er war? Nur weil er gleich beim ersten Mal alles mit 100% bestanden hatte, war er auch kein Routinier. Seine blöden Aussagen wie: "Schatz, das Auto hat noch einen weiteren Gang; zuerst blinken, dann erst bremsen; Schalte vor der Ortschaft in einen niedrigeren Gang um die Motorbremswirkung mehr zu nutzen; Brems früher vor der Ampel, dann brauchst nicht so hart auf die Bremse zu treten..." und weitere unzählige Anmerkungen die ihr die Wut in die Glieder fahren ließ. Sie wusste selbst, dass sie Übung bräuchte. Aber so half ihr das gar nichts. Sie war genug damit beschäftigt die Spur zu halten, vorm Schalten auf die Kupplung zu steigen, beim Anhalten entweder in den Leerlauf zu schalten oder die Kupplung zu betätigen, vorm Abbiegen in den Rückspiegel zu sehen und so weiter. Es gab ohnehin schon genug zu beachten. Und wenn sie auf der Freilandstraße halsbrecherische 68 km/h im Dritten mit hoher Drehzahl fuhr, dann war das eben so. Damit sollte er sich abfinden oder aussteigen.

Dass er ihr immer sagte wo sie abbiegen sollte kam ihr allerdings gelegen. So gut kannte sie sich im Bezirk doch nicht aus und war froh sich nicht auch noch um die Route Gedanken zu machen. 
Aber er wollte es wirklich wissen. Er war schon ziemlich sauer auf sie, weil sie so einen Topfen zusammen fuhr. Und ihr überhebliches Grinsen und die in seinen Augen nicht gerechtfertigte Überfreude über den Schein, wollte er nun brechen. Absichtlich wählte er eine Strecke bei der es galt, auf einer Steigung anfahren zu können. Dieses fiese Stück lag genau bei einer Dreier-Kreuzung. Man kam von unten an die Hauptstraße, hatte eine Stop-Tafel zu achten und musste dann bergan wegfahren und gleichzeitig auch noch den richtigen Radius beim Abbiegen nach links oder rechts treffen. Das ist für einen alteingesessenen Fahrer überhaupt kein Problem. Aber für einen Frischling der blanke Horror. Das wusste er sehr genau, denn auch er hatte anfangs große Probleme mit dieser Aufgabe, die ihm übrigens von seinem Vater bei Perfektionsfahrten auferlegt wurde. Gefühlte 100x scheiterte er daran.
Bildquelle: GRIP-das Motormagazin

Als sie zu der Kreuzung kamen bedeutete er ihr nach rechts abzubiegen. Nicht nur, dass man schon die beiden Hindernisse des bergauf Wegfahrens und des Lenkeinschlags hatte, so war die Kreuzung zu allem Überfluss auch noch schwer einsehbar und man musste den Querverkehr mittels Verkehrsspiegel erkennen. "So, jetzt kannst du zeigen was du drauf hast. Zeig was du gelernt hast." sagte er in einem ziemlich süffisanten Tonfall. Erhaben grinsend und die Arme vor der Brust verschränkend lehnte er sich zurück und blickte selbstgefällig durch die Windschutzscheibe hinauf zur Hauptstraße. In ihr machte sich ein Gefühl der Verzweiflung breit. Die Freude über den Führerschein war mit einem Mal wie weggeblasen. Aber sie wollte ihm den Triumph nicht gönnen und besann sich, was sie gelernt und tausende Male probiert hatte. Blick in den Rückspiegel ob jemand hinter ihrem Auto war. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie beim Anfahren zurückrollte war relativ hoch. Mit dem Zusammenspiel von Kupplung und Gas hatte sie Probleme. Blick nach rechts konnte sie sich eigentlich sparen. Dadurch sie dorthin abbiegen wollte war nur der Verkehr von links wichtig. Also schaute sie sehr aufmerksam in den Verkehrsspiegel. Es war kein Fahrzeug zu sehen. Gut, also dann, erster Gang eingelegt. Der Blinker wurde eingeschaltet.Kupplung langsam kommen lassen und Gas geben.
  
Der Motor jaulte auf als sie aufs Gaspedal stieg, der Wagen aber bewegte sich kein Stück vorwärts oder rückwärts. Also weniger Kupplung. Vom Beifahrersitz kam wieder ein unnötiger gut gemeinter Ratschlag wie etwas in der Art von: "Steig doch nicht so aufs Gas. Lass erst mal die Kupplung etwas mehr los". Sie hörte gar nicht darauf. Sie würde es ihrem Freund schon zeigen was sie konnte. Ganz vorsichtig, unter heftigem Gebrüll der Maschine unter der Haube setzte sie immer weniger Kraft auf das Kupplungspedal. Na endlich, das Vehikel bewegte sich vorwärts. Langsam aber sicher. Nun wusste sie, dass sie die Kupplung noch mehr auslassen konnte. Sie war so sehr konzentriert, dass sie ihn vom Beifahrersitz gar nicht hören konnte. Irgendwas brüllte er ihr von der Seite her ins Ohr. Aber sie war zu sehr mit dem Berganfahren beschäftigt. Immer schneller wurde ihr kleines Auto und sie freute sich immer mehr.
Und da plötzlich - QUIETSCH!!! blieb der Wagen auf einmal unsanft stehen. Holperte noch zwei- drei mal und starb schließlich ruckelnd ab. Er hatte seine Hand noch immer auf dem Handbremshebel und sah sie fassungslos an. Sie schaute nach rechts und sah sein verständnisloses Gesicht. An ihm vorbei blickend erkannte sie, dass sie komplett quer auf der Hauptstraße stand. Verwirrt schaute sie in den Rückspiegel und sah die Straße hinter sich, von der sie gerade so meisterhaft angefahren war. Und da bemerkte sie, was geschehen war. "Ich hab vergessen zu lenken." waren ihre Worte. 
Aufgrund der Tatsachen, dass er die Klappe nicht halten konnte, jetzt erst richtig schlimm zu ätzen begann und sie ungeduldig eine fürchterliche Autofahrerin bezeichnete, wollte er nie wieder mit ihr mitfahren. Das traf sich ganz gut, denn sie hatte für sich beschlossen ihn nie wieder mitzunehmen.


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