Erkenntnisse d​​er Vaterschaft

Ich vermisse die Zeiten, in denen ich ungestört am Klo hocken und ins Tablet oder Handy starren konnte. Ausgedehnte Sitzungen sind seit dem Karenzantritt nicht mehr drin. Ebenso wenig kurze, ungestörte Aufenthalte am Pott. Entweder wird vor der Tür gejammert, dass der Eindruck erweckt wird, ich wäre für immer in den unendlichen Fluten des Klos verschollen, oder es wird die ganze Zeit an der Tür geklopft und wiederholend "Papa?" gerufen. Das ist zwar irgendwie süß, zehrt aber an den Nerven. Die Beschleunigung des Stuhlgangs ist somit unabdingbar, sofern man den Hausfrieden wahren will. Da fehlen einem schnell mal die alten Zeiten im Büro. Seitdem nämlich Arbeitsfleiß nicht mehr nach dem geleisteten Arbeitspensum, sondern lediglich nach der Anzahl der Überstunden bemessen wird, spricht man sich mit netten Kollegen ab, wer wann wie lang am Klo hocken wird und wie lange man welchen Mitarbeiter in der Zwischenzeit vertreten muss. Besonders wichtig ist, die Ausreden für den Verbleib des Ausgetretenen abzustimmen. Das waren noch Zeiten.

Ein weiteres Ding der Unmöglichkeit - ein morgendliches Duschbad. Sobald der Zwerg nämlich wach ist, und in der Regel erwacht der Sprössling vor einem oder exakt dann, wenn man sich seiner Kleidung entledigt hat und bereit ist die Dusche zu betreten, ist Unterhaltung angesagt. Als wäre man beim Bundesheer. Im einen Moment liegt man noch seelenruhig in seinem Feldbett, träumt von Muttis Apfelstrudel, im nächsten brüllt irgendein Möchtegern-Rommel lautstark "Tagwache!!!!" und ehe man es sich versieht, liegt man mit dem Kopf im Dreck, verschießt Platzpatronen und beübt so den Untergang Österreichs im dritten Weltkrieg. Ähnlich ist es mit dem Nachwuchs. Spielen im 120% Modus unter kindlicher Anleitung, man befolgt am besten die erhaltenen Befehle, stellt weder Fragen noch Einwände, sonst riskiert man eine ordentliche Standpauke in Form von Geheule, Gekreische und zahllosen, mühsam heraus gepressten Tränen. Zugegeben, die Befehlshaber bei der Armee weinten in der Regel nicht, die Lautstärke der Zurechtweisungen war aber ähnlich. Auch das Geruchsbukett unterscheidet sich vom Nachwuchs zum Vizeleutnant. Waren es in der Zeit als Soldat noch morgendlicher Mundgeruch gepaart mit einer anschwellenden Fahne, so richtet sich der aktuelle Geruch mehr in Richtung Pipi und einer dezenten Kack-Note.

Womit wir beim nächsten Punkt der väterlichen Pflichten wären. Das Wickeln. In meinen Augen die Königsdisziplin an der schon einige Jungväter erst scheiterten und letzten Endes zerbrachen. 
Liebe Eltern, lasst euch eines gesagt sein: wer auch immer behauptet, dass jugendliche Saufgelage im weiteren Verlauf eures Lebens absolut keinen positiven Effekt hätten, der musste noch nie mit verquollenen und tränennassen Augen beim Anblick und tiefer Inhalation des Duftes einer bis unter den Rand vollgekackten Windel mit dem Brechreiz ringen. Je öfter man diesen Kampf im bisherigen Leben geführt hat, desto bessere Chancen auf einen Sieg gegen diese Körperfunktion hat man angesichts solch einer Extremsituation. Sauft und esst hackedicht ordentlich Klumpat. Das was hinterher von oben wieder retourniert wird, ist in Sachen Konsistenz und Geruch einer gut gefüllten Windel durchaus ähnlich. Das disziplinierte Training zahlt sich also aus!

Ist der Nachwuchs wieder einigermaßen geruchsneutral, ganz bekommt man das nicht mehr aus der Nase oder aus dem Putz an den Wänden, sollte dem in Karenz verbliebenen Einzelkämpfer bewusst sein, dass die kleinen Wesen auch hin und wieder mal hungrig werden. Besondere Skills oder Kochtechniken sind vorerst nicht nötig. Beschränkt sich die Kost anfangs noch auf Flüssignahrung, erweitert sich diese in weiterer Folge auf halbflüssige Breie... Breis... Ich hab keine verdammte Ahnung, was die Mehrzahl von Brei ist. Vielleicht Latein? Breii? Egal. Geht weiter über zu Tode gekochtes Gemüse, Fleisch oder Fisch, bis hin zu dem, was jeder Erwachsene als Essen bezeichnen würde. Ich möchte noch anraten, sich beim Thema Flüssignahrung kein Beispiel am Jungspund zu nehmen um es der Frequenz der Nahrungsaufnahme mit Hopfengetränken gleich zu tun. Man würde es nicht überleben. Ein wichtiger Punkt noch - Fast Food heißt zwar so, ist aber kein Essen und sollte von Babies, Kleinkindern und Kindern fern gehalten werden. Im Grunde kann man ab dem ersten Geburtstag kochen, was einem beliebt. Der Nachwuchs wird es mit Begeisterung futtern und rings um den Kindersessel verteilen. Darum ein guter Tipp: beim Zubereiten der Mahlzeiten schon berücksichtigen, wie man die Speise von diversen Möbeln, Böden, Wänden, Kleidungsstücken und dem Nachwuchs selbst wieder abbekommt ohne harte Chemikalien oder Drahtbürsten anwenden zu müssen. Kinderhaut verträgt Drahtbürsten eher schlecht. Als letztes sollte sich mit dem Würzen stark zurückgehalten werden. Am besten gar nicht würzen. Sonst ist der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Auch vom Kind kann man in Punkto Geschmackskombinationen noch einiges lernen. So gab es neulich bei uns Lachs mit Banane und Reiswaffeln. Ein wahrer Gaumenschmaus, zwar nicht für mich, aber was weiß ich denn auch schon...

Ich habe für mich eine klare Entscheidung getroffen. Entgegen der weitverbreiteten Meinung, man müsse sich um den Haushalt kümmern, sobald der Nachwuchs seinen Mittagsschlaf absolviert, liege ich entweder auf der faulen Haut rum, trinke Bier, sehe fern, zocke oder mache sonst irgendetwas, das mir Kraft und Mut gibt, weiter zu machen. Das wird man nämlich brauchen. Versprochen. So ist es derzeit ein wahrer Segen, dass mein Sohn nun beschlossen hat, seinen Vormittagsschlaf mit dem Mittagsschlaf zu kombinieren und dadurch gute 3 Stunden am Stück schläft. Der Nachmittag, besonders der spätere, wird dann allerdings oft zur Zerreißprobe für die Nerven. Aber die mir gegönnten drei Stunden verplempere ich mit absolut unnötigem Mist. Und es tut gut. Natürlich saufe ich keine drei Stunden durch, das ist echt nicht drin. Immerhin hat man ja seine Aufsichtspflicht zu erfüllen. Verlockend wäre es aber, denn im Vollsuff wäre mir vermutlich auch der anstrengende späte Nachmittag egal. 
Zugegeben, die Zeit mit Haushaltsführung zu verbringen wäre weitaus produktiver. Allerdings nur in Sachen Haushalt. Aufgrund der fehlenden Kraftschöpfung durch sinnlosen Mist, würde der anstrengende Nachmittag gewiss zum Spießrutenlauf, der nach wenigen Tagen, oder gar Stunden, für mich in irgendeiner Anstalt enden würde. Die Möglichkeiten aus Justiz- oder Irrenanstalt wage ich nicht zu Ende zu denken. Außerdem sei gesagt, dass alleine das Zusammenräumen mit wachem Kind einem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Selbst Sisyphos würde vor Scham erblassen, sähe er, wie jemand einer noch sinnloseren Aufgabe hinterherläuft, als einen lächerlichen Felsen einen Berg hoch zu rollen. Mein Sohn schafft es nämlich innerhalb von Minuten nicht nur sein komplettes Sortiment an Spielsachen im gesamten Wohnzimmer zu verstreuen, nein, er hat es mittlerweile perfektioniert Kinder-, Bade- und Wohnzimmer sowie die Küche innerhalb von kürzester Zeit zu verwüsten. Natürlich könnte ich jede Möglichkeit ausschöpfen um Laden und Kästen zu versperren, aber das möchte ich dann doch nicht tun, da ich es für wichtig erachte, dem Kind einiges an Freiheiten einzuräumen. Entgegen des weitverbreiteten Irrsinns einer komplett antiautoritären Erziehung, gibt es bei uns aber schon auch Regeln die ohne Wenn und Aber eingehalten werden müssen und genauso ohne Wenn und Aber durchgesetzt werden. Unser Kind akzeptiert diese aber auch sehr brav. Nebenbei bemerkt hat eine gepflegte Unordnung auch den positiven Effekt, dass mein Sohn beim Zusammenräumen am Ende des Tages nicht nur stiller Beobachter in der Ecke ist, sondern auch mit Begeisterung tatkräftig unterstützt. Nicht immer, aber beinahe täglich. Wir haben das so geschickt eingefädelt, dass dies zu seinem Abendritual dazugehört. Mit ein wenig Kreativität lassen sich Kinder für fast alle Tätigkeiten begeistern und sie wollen dann stets unterstützend wirken. So sind zb Wäsche waschen, Wegräumen, Wäsche aufhängen und sogar Staubwischen die reinste Unterhaltung für meinen Sohn. Mit Mopp und Besen ist er noch überfordert, aber das bekomm ich schon noch hin. 

Man könnte meinen, ich wäre ein Rabenvater, sähe man, wie ich mein Kind mit stoischer Gelassenheit beim Scheitern beobachte. Ich sitze da, sehe zu, wie er unter großem Gelächter Laden öffnet und wieder schließt nur um sich bei jedem zehnten Mal die Finger einzuklemmen. Dann erschrickt er erstmal und wird dann etwas unentspannt, wenn es ihm nicht mehr möglich ist, sich ohne Schmerzen von der Lade zu entfernen. Langsam setzt leichte Panik ein da das Händchen einfach nicht aus der Lade möchte. Mein Interesse gilt dem "Was wird er jetzt weiter machen?" Die ersten Tränen bilden sich, da die Lade, trotz starkem Ziehen, keinen Zentimeter der eingezwickten Fingerchen hergeben möchte. Hilfesuchend wandert des Kindes Blick durch den Raum. Ich bewege mich auf ihn zu, da ich natürlich nicht möchte, dass er Schmerzen hat. Ich zeige ihm, was zu tun ist, um sich zu befreien, führe es aber nicht alleine durch. Er muss bei dieser Rettungsaktion mitwirken. Papa wird ihm immer den Weg zeigen, wenn er Hilfe braucht. Jedoch muss er lernen, dass er einige seiner Wege alleine gehen muss und dazu auch durchaus in der Lage ist. Nach dem vermutlich 728 Mal eingeklemmter Finger hat er es aber begriffen und weiß genau, welche Aktionen nun zu setzen sind. Es sei denn, jemand ist bei ihm und er weiß, dass er nicht alleine ist. Dann vergisst man schon mal sämtliche Ausbildungseinheiten und brüllt lieber herzzerreißend auf. Ich bin ein schlechter Papa weil ich weiß, dass er es kann, aber angesichts der vielen Tränen, der roten Bäckchen und dem gewimmerten "Papa... Papa...", dafür bin ich nicht gemacht. Und bevor ich auch noch zu heulen beginne, rette ich mein Kind aus dieser lebensbedrohenden Situation. 
Aber nicht nur Laden sind Todesfallen. Schon eine simple Wolldecke kann tückisch und gefährlich sein. Kriecht man nämlich Kopf voran unter diese, dreht sich zwei mal im Kreis und setzt sich dann auf, wird die Decke zum Sack aus dem es ohne väterliche Hilfe kein Entkommen mehr zu geben scheint. Auch in dieser Situation greife ich nicht sofort ein. Durch pädagogisch wertvolle Sätze wie "Ja, wo ist denn der Sohnemann?" oder "hast du dich versteckt? Das hast du gut gemacht!" animiere ich mein Kind dazu, Spaß zu empfinden. Klappt nur bedingt. In erster Linie, so nehme ich an, verspürt er Furcht. Ich rede mir immer ein, wenn ich ganz sanft, fürsorglich und beruhigend auf ihn einrede, wird sich meine innere Ruhe auf ihn übertragen und er wird sich auch beruhigen und gekonnt befreien. Energetikern zufolge funktioniert das. Was soll ich sagen? Offenbar hab ich unterbewusst mehr Panik in mir als ich mir vorstellen kann.

Eine spezielle Neuerung in unserem Familienleben und dem Haushalt ist das neu eingeführte Ordnungssystem unseres Sprösslings. Hatten wir früher zum Beispiel so absurde Dinge wie Geschirr und Besteck in unserer Küche untergebracht, finden wir heutzutage liebevoll verräumte Duplo-Steine, Schnuller und teilweise wieder aus dem Wäschekorb entnommene Schmutzwäsche in Küchenkasteln und Laden. Es ist zwar eine besondere Herausforderung, aber der Wipfel einer Duplo-Palme eignet sich auch als Schneebesen gut. Und ein getragener Body kann schon mal als Topflappen herhalten. Sofern der Bub sich am Morgen dazu bereit erklärt aus seinem Gitterbett entnommen, gewickelt und angezogen zu werden (dagegen wird nämlich fast täglich heftig protestiert), kann man im Gegenzug zu Spielzeug in der Küche dafür diverse Tupperdosen in Kleiderkästen und Schubladen finden. Vor dem Toilettengang empfiehlt sich auch immer ein Kontrollblick in die Schüssel. Es ist erstaunlich, was so alles hinein gehört. Und da sind Schnuller lediglich eine kaum nennenswerte Randnotiz. 
Seit einiger Zeit bewegt sich der Nachwuchs nicht mehr krabbelnd fort, sondern läuft durch die Gegend. Das eröffnet ihm ganz neue Möglichkeiten zur Umsortierund aller erdenklichen Güter. Seiner Meinung nach haben Socken nicht das Geringste in einer Schublade für Unterwäsche zu suchen. Die machen am Schlafzimmerfußboden oder unter der Decke des elterlichen Ehebettes einen weitaus attraktiveren Eindruck. Mamas BHs unt Unterhöschen eignen sich hervorragend als transportables Versteck. Mitnehmen und sobald man gesehen wird gleich über den Kopf ziehen. Immerhin sind wir Erwachsenen nicht in der Lage das Kind zu finden solange es uns nicht sieht.
Durch diese Erneuerungen ist für mich spezielle Planung erforderlich. Steht ein Termin an, muss ich mir im Vorhinein ausführlich überlegen, was ich anziehen und sogar, welche Schuhe ich tragen werde. Es soll schließlich nicht soweit kommen, dass einer meiner benötigten Schuhe gerade Schwimmunterricht im Klo hat, das gewünschte T-Shirt in irgendeiner Spielzeugkiste verschwunden und die Hose durchnässt von Sabber ist. Also bleibt nur, das Outfit rechtzeitig (!!) zusammenzustellen und in erhöhter Position sicher zu verwahren.
Nein, so schlimm ist es selbstverständlich nicht! Lediglich die Schuhe muss man gelegentlich suchen. Und alles was über die Dimensionen von Unterwäsche oder Socken für Erwachsene hinausgeht, ist derweilen noch uninteressant, sofern es sich nicht im Wäschekorb befindet. 

Mich hält mein Sohn trotz Lockdown gut auf Trab und ich dich auf dem Laufenden.

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